Canvas or not?

mit Annette Friedrich, Judith Weißig, Magnus Sönning und Astrid Bredereck

 

 

 

Ausstellungsansicht, 21.11.-04.12.2011, Künstlerhaus Salzwedel
Ausstellungsansicht, 21.11.-04.12.2011, Künstlerhaus Salzwedel

 

Vom 17. bis 21.11. 2011 trafen sich vier Künstler des club mantell in Salzwedel um für drei Tage an einem ihnen vorerst noch unbekannten Thema zu arbeiten. Nach kurzer Beratung einigten wir uns auf das Thema Canvas, als wir eine Leinwand in der Küche der Stipendiatenwohnung vorfanden. Sie war weiß, unbenutzt, hatte Klebspuren auf der Rückseite und hing an der Wand neben dem Sofa. 

Alsbald zogen wir los und besorgten uns jeder eine eigene Leinwand. Diese war der jeweilige Ausgangspunkt für unsere Arbeit in den nächsten Stunden.

 

 

 

o.T. von Annette Friedrich

Canvas, Papier, Tackernadeln
Canvas, Papier, Tackernadeln

 

 

 

 

Bildträger von Astrid Bredereck

 

 

Die Leinwand transportiert Bilder, Gefühle, Stimmungen und Informationen. Sie dient dem Künstler als Übermittler seiner Geschichten, Botschaften, Erlebnisse und Ansichten.

Über einen Zeitraum von 48 Stunden verpflichte ich mich dem Tragen einer neuen, unverpackten Leinwand. Die ununterbrochene Anwesenheit der sperrigen weißen Fläche verlangt mir ungewohnte Körperhaltungen und Bewegungsabläufe ab. Gleichzeitig evoziert sie in mir wechselnde Impulse zwischen Weglegen und Anschmiegen. Die Leinwand zeigt Spuren dieser gelebten Nähe.

 

 

 

 

Canvas - In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken - von Judith Weißig

Ein Arbeitsbericht        
                                                                 
Tag 1: Die Leinwand hat 4 Euro 99 gekostet. Billigprodukt, Fertigprodukt. Erst mal auseinander nehmen: mit dem Messer die Tacker heraus hebeln. Ein befriedigendes Gefühl! Die Keilrahmenstärke hat seitlich einen Abdruck hinterlassen, an der Stelle kratze ich rundherum die Grundierung ab. Mühevolles Abarbeiten. Meine Hand tut weh. Und jetzt? - Die ausgefransten Ecken flicken, die sind so hässlich. In die Ecken investiere ich und dann ist Pause. Das wird nichts. Egal, machen wir weiter, die Leinwand und ich. Den Keilrahmen kann ich zur Not mit nach Hause nehmen und im Ofen verbrennen.

Tag 2: Der Satz mit der Liebe fällt mir ein. Kann man mir dann was unterstellen? –Egal. Soll ich auf einem Papier vorschreiben? Den Mutigen gehört die Welt, also los mit Tusche und Pinsel. Leider wird das nichts. Der Text sitzt nicht gut und richtig in der Fläche. Vielleicht mit dem psychologischen Tintenklecks drüber? Der ist grau und matschig und ich muss die Leinwand trocknen lassen. 2-mal knicke ich.

 

Tag 3: Ich gestehe mir ein: die Leinwand ist nicht mehr zu retten. Den anderen verrate ich nichts. Pause. Spaziergang. Schlafen. Rumhängen. Rumbasteln. Internet. Irgendwas Produktives muss ich auch machen, die anderen haben zu tun. Ich knicke ein Papier und nähe es am Knick entlang zusammen. Das mache ich, bis es ganz klein ist und mit meiner Kraft nicht mehr zu knicken ist. Ich bin ein Energieverschwender, ein Ziel habe ich nicht. Irgendwie sinnlos, dennoch meine ich, da ist ein Weg....

Die Leinwand liegt immer noch ausgebreitet da und sieht Scheiße aus. Sie will auch zusammengefaltet werden, das sehe ich jetzt genau. An der Faltung entlang nähe ich sie zusammen, was solls. Sie wird ganz klein, stabil und handhabbar.                                       

 

Nicht aufzugeben hat sich gelohnt. 

Schließlich stelle ich sie hin. 

 

 

Fenster von Magnus Sönning

1,33 m × 1,24 m Leinwände, Tackerklammern
1,33 m × 1,24 m Leinwände, Tackerklammern

 

 

Ausgangspunkt ist eine unbenutzte Leinwand aus dem Sonderposten-Baumarkt mit dem Standardmaß 50×70cm. 

Die Arbeit Fenster entsteht aus dem Vorhaben, das industriell angefertigte, qualitativ minderwertige Leinwandobjekt als Baumaterial zu verwenden. Nach anfänglichen Überlegungen aus einer Vielzahl von Leinwänden eine Trockenbau-Mauer in Projektraum zu errichten, reduziere ich mich auf einen Eingriff in der Fensternische. Der Keilrahmen wird hierfür mittig auf der Fensterbank positioniert. Die restlichen Flächen werden durch gekürzte Versionen desselbigen Standardmaßes gefüllt. 

Es entsteht vor dem Hintergrund eines industriellen Plastikfensters eine zusammengesetzte Leinwandfläche, welche in ihrer Struktur an ein altertümliches Fenster eines Fachwerkhauses erinnert. Eingebettet in den historischen Stadtkern von Salzwedel, welcher durch seine original-rekonstruierten Fassaden bekannt ist, ist dies eine angenehme Aufwertung eines unscheinbaren Atelierfensters des Hinterhauses.